Artikel in der Senioren-Zeitung 02/2006

Madame Haute-Couture

Umgeben von edlen, selbst entworfenen Roben sitzt Ruth Lubawin im Atelier am Goetheplatz kerzengerade auf einem blauen Samtsessel. Neben ihr flackert ein künstlicher Kamin und spendet Wärme. Sie trägt ein kleines, tief decolletiertes Schwarzes aus Spitze, die Schultern wärmt eine Pellerine aus Webraubtierfell. Ihre Hände ruhen auf den Oberschenkeln, und immer wieder rafft sie ihr Kleid aus eigener Werkstatt im Gespräch hoch, zeigt makellos schöne Beine, um die sie vermutlich manch jüngere Frau beneiden würde. Ihr eigenes Alter verrät die Frankfurter Haute Couture-Designerin, die nach ihrem Modestudium wichtige Lehrjahre in bekannten Pariser Modehäusern verbrachte, nicht. Aus Prinzip. Sie mag nicht in eine Schublade gesteckt werden, will nicht als Seniorin gelten.
Einen Arzt habe sie (abgesehen von dem ein oder anderen Zahnarztbesuch) noch nie in ihrem Leben gesehen. Das Geheimnis ihrer robusten Gesundheit: "Zwanzig Jahre lang fuhr ich mit meinem Mann an jedem Sonntagmorgen nach Bad Homburg in die Taunustherme". Ruth Lubawin kneift sich in den linken Oberarm. "Da ist nichts geliftet, das machen allein meine heißkalten Duschbäder und täglichen Bürstenmassagen."
Vor neun Jahren starb Ruth Lubawins Mann. Einfach so. Im Sessel, in ihrem Atelier. Herzinfakt. Als Witwe fühlt sie sich nicht. Bis heute ist er an ihrer Seite. Ruth Lubawin besucht regelmäßig das Grab. "Ich schreibe ihm Briefe und stecke sie in die Erde". Mit 16 lernte sie ihn kennen. Auf einem Ball im Zoo-Palais. "Er war seriös, distinguiert, etwas kühl. Eine Respektsperson." Er war 13 Jahre älter und ihr Beschützer. Ruth Lubawin sagt von sich selbst "Ich bin ein sehr verletzlicher Mensch. Worte können mir wehtun, denn was gesagt ist, ist auch gedacht." Sich als Geschäftsfrau durchzusetzen und Ellenbogen zu zeigen, liegt ihr nicht, wenn es dennoch nötig ist, lässt die kleine, knapp 1,60 Meter große Modeschaffende eine langjährige Vertraute agieren.
Ihr Faible für Mode und Ästhetik zeigte sich schon in der Kindheit. Gekaufte Kleidung hatte bei ihr keine Chance. Die Mutter hatte eine Bekannte, die war Schneiderin und nähte der Halbwüchsigen Kleidung nach deren Geschmack. Am liebsten hautnahe. "Ich sah immer anders aus als die anderen", erinnert sich Ruth Lubawin. Offenbar gefiel sie den jungen Männern um sie herum. Verehrer habe sie jedenfalls viele gehabt. Chancen hatte allerdings nur, "wer mindestens 1,80 groß war". In ihrem Zimmer hing ein Zentimetermaß an der Wand, jedes Maßnehmen wurde samt Vornamen des Verehrers vermerkt. Was den ein oder anderen jungen Mann durchaus irritiert habe. Heute lacht Ruth Lubawin über ihre drastischen Maßnahmen.
Von ihrem Vater hat sie die Liebe zur Korrespondenz geerbt. Sogar mit Ex-Kanzler Helmut Kohl und der jetzigen Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sie sich geschrieben. Ruth Lubawin schwärmt von Merkel. "Leistung beeindruckt mich ungemein", sagt sie, "mit Menschen, die nur am Swimming Pool liegen und Golf spielen, kann ich nichts anfangen". Unverblümt habe sie Merkel allerdings einmal dazu geraten, "ihr Frausein mehr hervorzuheben, sich weiblicher zu kleiden". Grundsätzlich aber ist Ruth Lubawin der Überzeugung "Schönheit kommt letztlich von innen".
Ruth Lubawin, die von vielen respektvoll "Madame Lubawin" genannt wird, hat bis heute als Modemacherin Erfolg, hat modebewusste Frauen - und anfangs auch Männer - mit Eleganz eingekleidet, hat Absatzkrisen überstanden, erneut Fuß gefasst. Halt gab ihr stets die gute Ehe. "Wir waren immer zusammen", sagt sie. Ihr Mann war für die Buchführung zuständig. Was ist wichtig für eine gute Beziehung. "Respekt" lautet Ruth Lubawins Antwort. Und Sex? "Sexualität ist für mich nicht Ekstase, sondern Glücklichsein und Vertrautheit". Welche Bedeutung habe Treue gehabt? Ruth Lubawin erzählt von Adresskärtchen, die ihr Mann einmal aus seinen Jackentaschen gezogen habe, Kärtchen, die ihm weibliche Fans zugesteckt haben. "Er hat nur gesagt 'Was soll ich damit, ich habe doch Dich!'" Sie selbst sei "oft in Versuchung" gewesen, aber, sagt Ruth Lubawin, "wenn ich liebe, liebe ich richtig".
Ihre Gedanken über die Liebe, das Leben, die Männer und die Frauen hat Ruth Lubawin in mehreren kleinen Büchern zum Ausdruck gebracht. Versammelt hat sie in ihnen schlicht gehaltene, berührende Geschichten, Gedichte und Chansons. Es sind Texte "mit Hirn" sagt Ruth Lubawin und zupft eine widerspenstige blonde Locke aus ihrem sommersprossigen Gesicht. Anette Wollenhaupt



Trend Show 2004
FNP-Artikel vom 25. September 2004

Ladys in Red: Gala des Modekreises bezaubert die Gäste mit Fantasie und Kontrasten

Ganz neue Maßstäbe setzte der Frankfurter Modekreis mit der Trendshow 2004. Ein Feuerwerk aufregender Modelle von klassischer Couture bis Avantgarde erlebten die Gäste im ausverkauften Zoo-Gesellschaftshaus mit der Präsentation der Herbst-Winter-Kollektionen 2004/2005. Das Publikum urteilte: Die beste Trendshow seit langem. Nicht allein wegen der atemberaubenden, puristisch-edlen Kulisse, die Modekreis-Präsident und Event-Manager Erhard Priewe aus üppigen weißen Stoffbahnen und schwarzen Lacksäulen, gekrönt von Kugeln aus glutroten Rosen, entworfen und realisiert hatte. Vor allem war es die Qualität und Innovationsfreude der Entwürfe, die die Zuschauer begeisterten. Wenn Frankfurt künftig nicht mehr allein als Bankenstadt zitiert, sondern mit dem Mode-Metropolen Mailand, Paris, London in einem Atemzug genannt wird, dann dürfte dies ein wesentliches Verdienst des Modekreises sein. Dessen Mitglieder, so wollen es seit der Gründung vor 19 Jahren die Statu-ten, müssen ihre Arbeiten selbst entwerfen und fertigen. Als Vertreterin der Haute Couture in bester Pariser Tradition zeigte sich Ruth Lubawin. Die junge Braut umhüllt sie mit viel Stoff, mit weiten Röcken, Raffungen, handgedrehten Stoffrosen, stellt daneben aber auch ein in Raffinesse und Eleganz ganz atemberaubendes schmales Brautkleid in einem sehr lichten Blauton vor. Bräute sind die Passion der Grande Dame der Frankfurter Modeschaffenden...



FNP-Artikel vom 13. September 2004

Die Passion der großen Ruth Lubawin ist Mode

Sie stellt in diesem Jahr alles auf den Kopf. Ruth Lubawin, die Grande Dame des Frankfurter Modekreises, die große Mode-Designerin, wagt eine kleine Sensation. Bei der diesjährigen Trendshow zeigt sie ihre Brautkleider gleich zu Beginn ihrer Präsentation. Das wagt man weder in Paris oder Mailand, noch anderswo, fürchten doch alle Modemacher dieser Welt, dass, zeigten sie ihre schönsten, rauschendsten, pompösesten, spektakulärsten Entwürfe gleich zu Beginn einer Show, alles andere, was sie noch vom Publikum beachtet wissen wollen zwangsläufig dahinter zurück bleiben müsse.

Ruth Lubawin quälen solche Befürchtungen nicht. Sie weiß, was sie kann. Weiß aus wahrhaft langjähriger Erfahrung, dass jeder ihrer Entwürfe etwas Besonderes, Exklusives und somit Aufregendes ist. Mit den Brautkleidern den Lubawin-Reigen bei der Trendshow zu eröffnen, hat im übrigen rein praktische Gründe. "Zwei Kinder sind mit auf dem Laufsteg. Die sollen so früh wie möglich ihren Auftritt haben, damit sie nicht zu spät zu Bett kommen", sagt Ruth Lubawin, ganz Fürsorge für die ihr Anvertrauten. Die Kinder heben im wahrsten Wortsinne eine tragende Rolle: Sie halten den drei Meter langen Schleier eines Brautkleides, das aus weißem Organza gefertigt und über und über mit handgedrehten Stoffrosen besetzt ist. Frauen für den schönten Tag ihres Lebens so herauszubringen, dass sie auch unbestritten die Schönsten ihrer Gesellschaft sind, ist eine der großen Stärken von Ruth Lubawin. Sie entwirft und schneidert den Bräuten das Kleid so perfekt auf den Leib, dass es alle Vorzüge betont und hervorhebt und da, wo es etwas zu kaschieren gibt, dies zuverlässig tut. "Ich mache Frauen schön", sagt Ruth Lubawin und auch, dass sie Mode ganz und gar intuitiv mache. "Das hat bis jetzt immer gepasst". Diese untrügliche Gespür zusammen mit der bei Givenchy in Paris genossenen grundsoliden Ausbildung ergibt den unvergleichlichen Lubawin-Stil, der unkopierbar bleibt. Ruth Lubawin ist eine Institution der Frankfurter Modewelt. Am Goetheplatz hat sie seit zwölf Jahren ihren Salon, wo sie Konfektion, Prêt à Porter und Maßroben anbietet. Dass sie seit zehn Jahren keinen Urlaub gemacht hat, erzählen sich die Mitarbeiter in ihrem Atelier. Für Ruth Lubawin kein Thema. "Im Urlaub würde ich es ja gar nicht aushalten", sagt sie lachend. "Ich muss jeden Tag Entwürfe machen, Stoffe fühlen. Wahrscheinlich bin ich von Mode besessen".



Madame ist ohne Alter

Die Modemacherin Ruth Lubawin zieht Frauen an und zeigt sich gerne „halbnackt“

Von Anne Lorenc

Sie nennt sich gerne „Madame“ und richtet das Ambiente danach aus. Zierliche, tief blaue Sesselchen mit Faltenrock vor dem künstlichen Kamin, stilvolle Kerzenleuchter, aber auch eine eher fetzige Justitia aus Bronze, die mit leichtfertig geschürztem Röckchen Waage und Schwert reckt. Ein Tick Erotik ist immer im Spiel, wenn Ruth Lubawin freie Hand hat. Sich selbst nimmt sie da nicht aus. „Mich sieht man immer halb nackt“ gesteht die gereifteste der Frankfurter Modedesignerinnen. Diesmal ist es der Rücken, den sie bis zum mittleren Brustwirbelbereich aus ihrem hautengen schwarzen Einteiler hervorblitzen lässt. Mich kann man ausziehen sagt die seit mehreren Dekaden als „Frau ohne Alter“ etablierte Modeschöpferin. Straff und unverwüstlich dank Wechseldusche und Bürstenmassage am Morgen.

Die heutigen Frauen, deklamiert die gebürtige Mannheimerin mit klirrenden Armreifen, seien zu bedauern. Voller Angst, sich als Frau zu bekennen. Mit unausrottbarer Sucht nach „etwas Schlichtem“w – und der Gewissheit, bei extravagantem Erscheinungsbild vom liebsten empfangen zu werden mit dem Kompliment: „Na, Du hast Dich aber aufgebretzelt“. Ein Zeugnis für seelische Grausamkeit und geschäftsschädigend dazu für eine Frau der Haute Couture, die für sich wirbt mit dem Slogan: „Ich mache Frauen schön“.

Ein solcher Ignorant wäre Ruth Lubawin niemals ins Haus gekommen. Ihr Gatte („Er ist vor acht Jahren gestorben – in dem Sessel, in dem Sie jetzt sitzen“) war kein Mann, sondern ein „Herr“, schwärmt die Witwe noch heute, und die blauen Augen mit den dick getuschten Wimpern glänzen. „Immer gut gekleidet, immer duftend, immer distanziert.“ Und er war stolz auf seine zierliche Frau, die, von den Hochhackigen bis zum blondem Lockentuff auf knapp 1,60 Meter aufgestockt, voller Ideen und Energie steckt.
Ab 1965 übernahm der studierte Textilingenieur im ersten eigenen Laden in der Freßgass’ das Kaufmännische, und für das Paar brach der Himmel auf Erden an. „Wir waren immer zusammen.“ Zuhause sogar im Badezimmer, das für zwei ausgelegt war, und nun auch tagsüber an der Arbeit. „Ich mit meiner Offenheit brauchte sein „Stopp“ sagt sie. Und die traumhaften Sonntage mit spätem Frühstück bei Kerzenlicht und den anschließenden Saunabesuchen.

„Hochzeit – welch mutiger Schritt. Wird aber belohnt durch Glücklichsein“ steht auf einem der Zettel mit selbstformulierten Sinnsprüchen über der Kamin-Attrappe. Eine Behauptung, die nicht viele Kundinnen unwidersprochen hinnehmen. Deshalb wirbt Ruth Lubawin damit, dass sie auch als Lebensberaterin tätig ist. „Aber nicht für Kranke, und ich mache keine Sex-Beratung.“ Ihr erster „Fall“ sei übrigens ein Mann gewesen mit einem gigantischen Liebeskummer. Man sei zu viert Essen gegangen, das Elend löste sich in Wohlgefallen auf.
Ihr eigenes Leben, sagt sie, sei voller Wunder. Ein Geschenk war es, dass der Tochter eines weltoffenen Akademikers und einer sehr religiösen OP-Schwester der Schönheitssinn in die Wiege gelegt wurde. Schon als Säugling muss Ruth Lubawin gewusst haben , wie man „etwas aus sich macht“. Mutter und Tante nähten für das kleine Mädchen und später für die junge Frau nach deren Vorstellungen. „Ich sah immer anders aus als die anderen.“ Eng musste die Kleidung sein, und immer an den richtigen Stellen Haut zeigen.

Als ausgeprägter Augenmensch sei sie in der Schule in einem Jahr in die Bredouille gekommen, denn „vor mir saß ein Mädchen, das war immer falsch angezogen. Es hatte die falsche Frisur, trug die falschen Farben und ganz unvorteilhafte Schnitte.“ Schülerin Ruth unterlag der Faszination des Schrecklichen. „Ich musste da immer hinsehen und konnte mich nicht auf den Unterricht konzentrieren.“

Ruth Lubawin besuchte die Kunstakademie in Mannheim – auf Fürsprache der Lehrerinnen, die ihre eher auf Sicherheit bedachte Mutter überzeugten, dass das junge Mädchen mit dem extravaganten Kleidergeschmack unbedingt seine Kreativität ausbauen sollte. Und sie hat Lehr- und Wanderjahre in Pariser Modehäusern mit klingenden Namen hinter sich gebracht.

Das zweite Wunder ereignete sich 1965. Das Ehepaar Lubawin, mittellos, aber dem Schönen und Angenehmen zugeneigt, saß in einem Frankfurter Café, als Ruth Lubawin von einer Dame angesprochen wurde: Wo man denn ein solches Kleid kaufen könne. Man kam ins Gespräch, und innerhalb kürzester Zeit besorgte die Dame einen passenden Laden in der Freßgass’. „Wir hatten noch nicht mal das Geld für die erste Miete“, erinnert sich die Modefrau.

Von da an riss es mit den Wundern nicht ab. Triumphe auf Textilmessen, Aufträge von Stars und Sternchen („heute bekommen die ja von den Designern alles geschenkt“), von der Frankfurter feinen Gesellschaft. „Alles, was ich selbst anhatte, war am schnellsten weg.“ Zeitweise, als Männer Wert auf Kleidung legten, verkaufte sie sogar Anzüge. „Von einem tschechischen Schneider – ganz weich geschnitten.“

Und immer wieder waren da Retter in der Not, wenn das Haus wegsaniert wurde und ein neues Domizil fällig war. So kam sie immer in letzter Minute, aber zielgerichtet an ihre Läden am Börsenplatz (1989) und an die jetzige Adresse am Goetheplatz (seit 1993).

Und so fand sie, nachdem sie als Witwe ohne Führerschein fünf Jahre lang mit S-Bahn und Taxi ins Eigenheim in den Taunus und zurück ins Geschäft gependelt war, einen Käufer für das eigenwillig konstruierte „Party-„Haus und eine passende Bleibe in der Frankfurter Innenstadt. Auch wenn „Madame“ jegliche Hinweise meidet, aus denen sich ihr Alter errechnen ließe, beiweist sie rationalen Umgang mit der Uhr: „Ich will keine Lebenszeit in S-Bahnen verschenken.“
Obgleich ihr zuhause bei den Eltern die Religion eine zu große Rolle gespielt hat, ist Ruth Lubawin überzeugte Christin. Auf eine ganz unmittelbare Art. „Ich habe einen guten Draht nach oben“, verrät sie. Und hat in ihrem Leben oft erfahren: „Ich bin beschützt.“ Drei Mal in der Woche geht sie mittags in die katholische Liebfrauenkirche. Eigentlich sei sie evangelisch, aber „unsere Kirchen sind ja immer zu, und Kerzchen gibt es da auch nicht.“ Ihr Gott ist an keine Konfession gebunden. „Jeder muss sehen, wo er die Kraft hernimmt, die er zum Leben braucht.“

Zumal ihr die Stütze durch den Ehemann fehlt. Fürs Verkaufen „war er völlig ungeeignet“. Dafür aber der perfekte Beschützer. Einmal, erzählt Ruth Lubawin, habe sie gut zwei Stunden mit einer sehr anspruchsvollen Kundin verbracht, deren zahlreiche körperliche Problemzonen sich gegenseitig überlappten. Im Obergeschoss-Büro habe ihr Mann mitgehört und bemerkt, dass seiner Frau allmählich die Luft ausging. Er begutachtete die Anprobe und riet der Kundin: „Gnädige Frau, da hilft nur noch der Schönheitschirurg.“ Beim Erzählen lacht Ruth Lubawin noch heute Tränen. Aber: Sie hatte den Auftrag bekommen.

Den Wundern erleichtert Ruth Lubawin mit Disziplin die Realisation. Das Paar habe die künstlerischen Berufung wegen auf Kinder verzichtet: „Halbe Sachen gibt es für mich nicht.“ Im Atelier hinterm Laden die „Nähvorlagen“ bis in die Nacht zuzuschneiden, gehört dazu.

Wegen Termindrucks brachte sie das sogar fertig in der Nacht, nachdem ihr Mann – ohne Vorwarnung – in dem Sessel vor dem Kamin tot zusammengebrochen war. Viel Zeit nimmt sie sich für ihre Kundinnen. Lange Gespräche sind an der Tagesordnung, um möglichst viel von der Persönlichkeit einzufangen.
„Manchmal kommen sehr gut aussehende Frauen. Und wenn die fünf Minuten geredet haben, sieht man sie nicht mehr - weil sie im Herzen nichts zu geben haben.“
Mode hat für Ruth Lubawin etwas mit Selbsterkenntnis zu tun. Und mit der Stabilität, sich ein aufregendes individuelles Aussehen zu erlauben. Für die Couture-Frau, eine der Säulen des Modekreis Frankfurt, machen nicht Kleider Leute. Der Prozess geht für sie von innen nach außen. Deshalb würde sie auch nie im Second Hand-Laden kaufen. „Nicht, weil das eine Konkurrenz wäre.“ Aber Kleidung, so vertritt sie eine durch und durch esoterische Position, war „intim mit dem Träger zusammen“. Was sie gespeichert habe an Freude, Leid oder Ärger, „das geht mit der Reinigung nicht raus“.

Manchmal ärgert sie sich auch. Wenn Kundinnen, die in großer Robe auf Bällen erschienen waren, von abfälligen Blicken seitens der Nabelfreien erzählen. Wenn es selbst beim Opernball üblich sei, „herumzulaufen wie am Strand von Rimini“, kann sie sich aufregen. „Eigentlich müsste das den anderen peinlich sein.“ Feminine Eleganz ist für Ruth Lubawin eine Sache. Ordinäres Zurschaustellen eine völlig andere.



Zum Pressespiegel des Jahres 2003 bitte hier klicken.